Für November ist der Besuch von Mama und Papa mit Helmut und Silvia angekündigt. Seit ich das glasklar im Kopf habe, dass meine Eltern nun wirklich diese mühsame Reise auf sich nehmen werden, um das neue Zuhause der kleinen Silke kennenzulernen muss ich in verschiedenen Situationen oft an sie denken:
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Puerto Madeiro, Buenos Aires, bei Nacht |
Sei es das kiloschwere Stück Fleisch, das ich auf dem Grill vor sich herbraten sehe, sei es der Einkauf im Fleischereigeschäft von 2 Riesenrindersteaks
jedes um die 350 Gramm zu einem Preis von insgesamt umgerechnet 5€ oder wenn ein Peugeot 504 in zerbrechlichem Zustand an einem vorbeifährt und man nur staunt, dass der Fahrer noch nicht durch den Boden des zerrosteten Karchs durchgefallen ist. Wenn man mal von den fahrenden Schrotthaufen weggeht, die sich wie durch ein Wunder immernoch fortbewegen und im täglichen Strassenverkehr sicherlich 30% der Gesamtzahl der Autos ausmachen und dazu noch ein Vermögen wert sind, lasst uns einmal an das neue Luxusviertel im Herzen von Buenos Aires denken. Der Puerto Madeiro (Bild oben). Der ehemalige Hafen von Buenos Aires, aus einer Reihe von Ratten belagerten Güterspeicher wurde die teuerste Zone Buenos Aires geschafften. Bei Tag und bei Nacht ein Traum, eine Lage die unbezahlbar ist und ein Lebensniveau, für normal verdienende auf Längen entfernt. Auf 2 Blocks dieses Paradieses arbeite ich und gehe an diesem mit Lichtern erfülltem Bild täglich vorbei. Immer mit dem Neid im Hinterkopf auf diejenigen Menschen, die dieses Leben als ihr Zuhause geniessen dürfen. Puerto Madeira bei Nacht bringt sicherlich jeden einmal zum Staunen, es ist das Glanzstück Buenos Aires.
Oder auch das schöne Stadtzentrum von Buenos Aires mit dem Stadtteil Palermo der von vielen Parks gezeichnet ist, die Strasse 9 de Julio mit ihren unglaublich zahlreich Spuren, den Obelisk (ein erbautes denkmal zum Geburtstag der Republik), den vielen netten Bars, Märkten, dem tollten echten Segelschiff im Hafen, das regelmässig mit seinen neu ausgelernten Matrosen auf Reise geht oder einfach an der Küste zum Rio de la Plata (für mich ist es das Meer weil es keinen Übergang von Rio ins Meer gibt) zu sitzen und sich den Wind um die Ohren sausen zu lassen oder die Paare die in den Strassen Tango tanzend aufzufinden sind.
Zu den wertvollen Schätzen des Landes gehört mit Sicherheit die Vielseitigkeit des Landes, wundervolle Berg-und Gletschergegenden, Weingebiete am Rande der Anden, Strandregion zur Atlantikküste und unglaubliche Weiten...ein Land das alle Möglichkeiten hat, 7 Mal grösser als Deutschland ist und zahlreiche Klimazonen besitzt...nur leider wird davon kaum Nutzen gezogen.
Ich glaube es mischt sich jedoch danach auch ein wenig Angst bei, dass die Armut des Landes falsch verstanden wird. Sie existiert, ja und es ist traurig und immer wieder so erstaunlich für mich wenn wir mit dem Auto (laufen sollte man in diesen Gegenden nicht) an einer sogenannten Villa vorbeifahren (bitte nicht mit der Villa, einem schönen Haus übersetzen, denn man da ist man auf dem falschen Dampfer) und man die Hütten betrachtet, die sich arme Menschen zusammengezimmert haben, sich ein eigenes Dorf errichtet haben in das nicht einmal die Polizei sich traut hineinzuschreiten aufgrund der hohen Kriminalität, Unsicherheit. Menschen, die das Ziel vor Augen haben, dass die Villa aufgelöst und gestürmt werden wird und die Armen in neu vom Staat errichtete Siedlungen einziehen dürfen, die sie mit einer Finanzierung ofiziell begleichen würden, die jedoch eine derart lange Laufzeit hat, dass niemand von ihnen seine neue Heimat zu Ende bezahlen wird.
Was werden meine Eltern oder egal wer sagen, wenn sie ein ungefähr 7 jähriges Mädchen auf der Strasse mit ihrem 2 jährigen Geschwisterchen sehen, ohne Schuhe, beide mit verdreckten, schwarzen Armen und Gesichtern, die Hand nach Münzen ausstreckend. Ich denke, sie werden wie ich sehr viel Mitgefühl haben mit diesen kleinen Wesen, die in dieses Leben hineingeboren wurden. Das ist die harte Wahrheit Argentiniens und das klare Versagen der benötigten Hilfe des Staates. Mal ehrlich,...in Deutschland beschweren wir uns über alles was nicht 100% läuft oder wenn uns wieder eine neue Reform nicht gefällt wird gemeckert. Ich hab hier gelernt, dass wir das Land Nummer 1 auf der Welt sind und wir das viel zu wenig zu schätzen wissen.
Für Argentinien hoffen wir das Beste für die Zukunft des Landes. Dass es für das Land einmal stets aufwärts geht und oben bleibt. Dass nicht die Superreichen noch reicher werden, sondern die Armut geringer. Die Argentinier sagen, sie haben aufgehört sich deswegen verrückt zu machen denn man erreicht nichts damit, es ist ein Teufelskreis aus dem man selbst keinen Weg von aussen heraus findet. Man findet sich damit ab, dass es das Land ist, wo man geboren ist, das man liebt wegen seiner überzeugenden Schönheiten.
Das positive Denken gefällt mir. Immer wieder. Bewundernswert !